Geschichten von Reinhold Reshöft

Reinhold Reshöft hat nicht nur an einer Chronik über den Ort gearbeitet, er hat diese auch immer mit persöhnlichen Geschichten bereichern wollen, von denen wir hier einige wiedergeben wollen:

 

  • Düvelsten
  • Splitternacktverein
  • Bernstein
  • Katzengold
  • Prost Neujahr
  • Das erste Radio in Dahme

Düvelsten

Aber nun zurück an den steinzeitlichen Strand, dem Steilufer südlich von Dahme mit seinen Geröll- und Steinfeldern. Diese bedeckten - wie gesagt - den ganzen Dahmer Südstrand in den verschiedenartigsten Ansammlungen und Anhäufungen und setzten sich in ihrer Lage und Ausdehnung bis weit in die Ostsee hinein fort. Dort - unter dem Wasserspiegel - sind sie als dunkle Flächen zu erkennen. Je weiter wir nach Süden kommen und schließlich die Landspitze von Dahmeshöved erreichen, häufen sich diese Stein- und Geröllfelder und werden zunehmend dichter in ihrer Lage und Ausdehnung.

Dahmeshöved mit seinem Leuchtturm (Blinkzeichen) bildet die Wassergrenze zwischen der offenen Mecklenburger und der Lübecker Bucht und zwar auf der Linie Dahmeshöved und Klützhöved bei Wismar.

 

Wenn man an einem etwas trüben und feuchten Tag die Wanderung nach Dahmeshöved am Strand entlang vornimmt, kommen gerade an einem solchen Tage die unterschiedlichsten Farben und Formen der Steine und Findlinge besonders gut zur Geltung.

Da gibt es den Ostsee - Quarzporphyr als Geschiebe (braune Grundmasse mit großen Quarz- und Feldspateinsprenglingen). Da schimmern blau-violette Quarzkörner aus dem rötlichen Svaneke - Granit (Heimat Südschweden/ Kalmarsund). Eckige, fast weiße Feldspäte leuchten aus den grau-violetten Rhomben-Porphyr (Heimat: Umgebung von Oslo). Über zwei Milliarden Jahre alt ist der glimmerreiche Gneis, der manchmal von dünnen milchig-weißen Feldspat-Bändern durchzogen wird und aus Mittelschweden stammt. Blauschwarz erscheint der Basalt aus dem Nordosten von Malmö und rotbraun der Porphyr von den finnischen Aaland - Inseln.

Neben diesen verschiedenartigsten Gesteinen - von denen hier nur ein Teil beschrieben wurde - gibt es auch die verschiedensten Ablagerungsgesteine (Sedimentgesteine)

 

Die größten Steine unter diesen ausgedehnten und vielfältigen Gesteinsmassen nennt man „Findlinge“. In unserem ostholsteinischen Raum gibt es den z. Zt. größten eiszeitlichen Findling bei Malente. Es ist der sog. „Wandhoff – Findling“, ein Urweltblock .

Aber auch in Dahme gibt es einen mächtigen Findling. Es ist der „Teufelsstein“ und liegt im Wasser der Ostsee, etwa 100 m von der Küste entfernt gegenüber des beginnenden Steilufers südlich des Ortsrandes von Dahme. Er hat eine Höhe von etwa 2,3 m und einen Durchmesser von ca. 2,5 m. Bei jeder Sturmflut versinkt er immer mehr im Sandgrunde der Ostsee und nur bei sehr niedrigem Wasserstand ragt seine Spitze noch über den Wasserspiegel hinaus.

In diesem Jahrhundert war er nur einmal trockenen Fußes zu erreichen, etwa um das Jahr 1930. Einige Fotos aus dem Kreise meiner Freunde zeugen noch davon , dass sie diesen großen Findling - den „Teufelsstein“ bei dem damals herrschenden, äußerst seltenem Niedrigwasser bestiegen haben.

 

 

Auszug aus einem von Reinhold Reshöft angefangenen Kapitel zur Steinzeit


Bernstein

An einem Spätsommertag hatte sich die Ostsee bei Dahme wieder einmal von ihrer rauhen Seite gezeigt und mit den hochgehenden und auslaufenden Meereswogen war ein Menge Seegras und Seetang an den Ufersaum gespült worden und hatte sich dort abgelagert.

 

Das war für uns unternehmungslustige Schuljungs das Alarmzeichen, wieder einmal auf Entdeckungsjagd zu gehen.

Bei unserer kleinen Gruppe von 6 - 8 Jungens war einer dabei, der sich auf die Suche nach einem bestimmten Stein fast "spezialisiert" hatte und uns anderen mit seinen Funden immer wieder überraschte.

Oft haben wir erlebt, dass er die abgelagerten Seegras- und Seetangfelder einfach aufrollte und plötzlich unter einem Jubelschrei einen Stein von Haselnuß- bis Walnußgröße in der Hand hochhielt, der in der Sonne in herrliche durchscheinend goldgelber oder bräunlicher Farbe erstrahlte - er hatte einen Bernstein gefunden!

 

Ich erinnere mich, dass das größte von ihm gefundene Stück Bernstein etwa handtellergroß war und von einer herrlichen goldgelben bis leicht ins bräunliche gehenden Farbe mit seitlichen Verkrustungen. Bei näherer Betrachtung dieses Stückes konnten wir entdecken, dass sogar eine kleine Mücke in diesem Stück eingeschlossen war. Ein herrlicher Fund - und wir haben uns alle zusammen mit dem Finder gefreut!

Dieser Bernstein ist kein Überbleibsel der eiszeitlichen Gletschermassen sondern seine Herkunft ist eine ganz andere.

 

Bernstein stammt aus dem Zeitabschnitt der Tertiärzeit vor etwa 55 - 35 Millionen Jahren. Damals wuchs im Süden Fennoskandias - einem mächtigen Ur-Kontinent, der sich weit über das heutige Skandinavien hinaus erstreckte und dessen Kern im heutigen Südschweden lag - ein mächtiger Urwald. In diesem Mischwald gediehen in einem warm-gemäßigtem Klima mit subtropischen Einschlägen die Bernstein-Kiefern, deren Harz mehrere Millionen Jahre hindurch in den Boden tropfte und sich zu Bernstein verfestigte. In das damals flüssige Harz wurden gelegentlich Pflanzenteile oder Tiere - namentlich Insekten - eingeschlossen. Bernsteinstücke mit solchen Einschlüssen nennt man ''Inklusen'', - sie sind recht selten und wertvoll.

Seinen Namen hat er von den Germanen erhalten wie auch der Donnerkeil. „Börnen“ oder „Bernen“ (im englischen „burn“) bedeutet „brennen“. Tatsächlich brennt der Bernstein gleich einer Kerze mit leuchtender, stark rußender Flamme. Dabei entsteht ein angenehmer, aromatischer Geruch. Deshalb war auch der Kienspan lange Zeit als Beleuchtung beliebt.

Außerdem hat der Bernstein die Eigenschaft - und das ist auch ein deutliches Erkennungsmerkmal - sich bei Reibung - insbesondere mit Wolle - elektrostatisch aufzuladen: Er wirkt dann wie ein kleiner Magnet und zieht Papierschnipsel an.

Die Grenzen des heutigen Bernstein- Verbreitungsgebietes in unserer Region entsprechen den eiszeitlichen Ablagerungen.

 


Katzengold

Es sei dem Verfasser nun einmal gestattet, sich in seine Jugendzeit zurück zu versetzen. Dabei wird er sich „ich“ nennen bzw. „wir“, wenn es um seinen Freundeskreis geht. Vielleicht wird dadurch diese Ortsgeschichte von Dahme auch etwas interessanter und lebensnaher, wenn in künftigen Kapiteln unmittelbar auf „Jugenderinnerungen“ zurückgegriffen wird!

 

Wenn wir Schuljungens unsere Schularbeiten gemacht hatten (oder auch nicht!) trafen wir uns in unserer Freizeit häufig, um etwas zu unternehmen, zu erleben oder anzustellen. Dazu gehörten damals keine Beschäftigungen mit Computern oder Fernsehen, sondern die Erlebnisse mit einander in kleineren oder größeren Gruppen in der frischen Luft der Natur. In solchen Stunden der Begegnungen und gemeinsamen Unternehmungen - oft angeregt durch unsere Lehrer – gab sehr viel auf den Fluren unserer Heimat zu entdecken. Dazu gehörte u.a. auch, dass wir uns in einer kleineren Gruppe am Südstrand von Dahme bei der Mole trafen und uns auf den Weg in Richtung Süden zum Dahmer Steilufer machten. Entdeckten wir Schuljungens auf unserer Wanderung dann eine Kiesbank - die es übrigens nach Stürmen am gesamten Strandgebiet von Dahme gab – und die ''Lieferanten '' für die Hof- und Wegbekiesung im ganzen Ort Dahme waren - so gingen wir in die Knie und die Suche nach den „Gediegen“ begann. Da fanden wir häufig die merkwürdigsten und gediegensten (daher die Bezeichnung „Gediegen“) Formen von vorwiegend Kalksteinen und sammelten diese natürlich. Dabei handelte es sich um kleinste und kleine Stücke von in ihrer Form sehr auffallenden Einzelkorallen, die meisten fünfeckigen Kalkplatten , die einmal die Panzer der Kronenseeigel waren, wunderschön gezeichnet, mit einem Kreis und einem kleinen Höcker in der Mitte und die sehr schönen Formen der Stacheln der Kronenseeigel, alles in herrlicher, weißer Kalkfarbe. Auch die Schalen der Dickmuschel waren zu finden, die oft mit Kreide oder Feuerstein ausgefüllt war. Sehr hübsch waren auch die Kalkschwämme, kleinste bis größere weiße Kügelchen, fast immer mit einem Loch in der Mitte so dass man daraus hätte eine Halskette binden können ..

Dann gab es da noch die muschelartigen Armfüßler, die Moostierchen und auch die runden oder sechseckigen Wurmröhren. Selten fanden wir auch Kieselschwämme und deren aus Feuerstein bestehenden Schalen, die eine keulen- oder gurkenartige Form hatten und größer (ca 15 - 25 cm 1ang} waren. Zu den ganz seltenen Funden in diesen Kiesbänken gehörten die sog. „Klappersteine“, die in einer kugelrunden Feuersteinhülle einen kleinen Kieselschwamm enthielten, der bei Bewegungen dann ein klapperndes Geräusch erzeugte. Zu den häufigen Funden gehörten natürlich die „Donnerkeile“, die in den großen Kiesbänken wegen ihrer Farbe und Form kaum zu übersehen waren. Die seltensten Funde überhaupt aber waren die Seeigel und das „K a t z e n g o l d“. Über die Seeigel und die „Donnerkeile“ ist schon geschrieben worden. Das „Katzengold“ aber hatte eine besonders magische Anziehungskraft. Fast immer kommt das „Katzengold“ (oder Schwefelkies) in völlig runden Formen von 5 - 12 cm Durchmesser vor. Sie sehen an der Oberfläche rostig- braun aus und sind sehr schwer. Zerschlägt man aber einen dieser Pyritknollen (so heißt der Stein in der Fachsprache) dann glaubt man, einen Goldklumpen gefunden zu haben. Meistens zerspringt diese kugelige Knolle in der Mitte und die Bruchflächen zeigen einen goldglänzenden, strahligen Pyrit, der in der Sonne wie glänzendes Gold schimmert – herrlich anzuschauende Stücke. Aber ich habe auch selbst einmal so eine Pyritknolle gefunden, die aussah, als hätte ein Mensch oder ein Hund dort sein „großes Geschäft“ verrichtet. Die wurstartig verschlungene Form, die Farbe und die rauhe Oberfläche - alles deutete wirklich auf einen „Wachtmeister“ (so nennt man ja hier und dort diese „Häufchen“) hin. Kaum zu glauben, aber ich - wir waren in einer kleineren Gruppe - habe mich wirklich nicht getraut, dieses Ding anzufassen. Mit einem angeschwemmten Ast habe ich dann versucht, der Sache auf den Grund zu gehen. Erst als ich merkte, dass dieser „Wachtmeister“ sehr schwer war, habe ich ihn angefasst und ein Stückchen von diesem " Haufen " abgeschlagen- und siehe da, es war „Katzengold“. Leider ist mir dieses Stück durch die Kriegswirren und Umzüge verlorengegangen, aber es war ein besonders interessantes Stück von „Katzengold“ - ich hätte es noch heute gern gehabt. So, das war der „erste Ausflug der Schuljungen“ in dieser Ortsgeschichte - es werden noch mehrere folgen! Aber aus meiner Erinnerung heraus muss ich sagen, dass diese Suche nach den Zeugen aus der Eiszeit oft aufregender und interessanter war als der spannendste Krimi im Fernsehen Dazu noch die Verbindung zur „grauen Vorzeit“ durch die Funde, die frische Luft - und das ewige Rauschen der Ostsee. Es war eine schöne Jugendzeit!

 

Reinold Reshöft sammelte schon seit Jahrzehnten Material für eine Dahme Chronik und hatte Anfang der 90-er Jahre angefangen daran zu schreiben. Das Werk verblieb jedoch unvollendet und wurde nie veröffentlicht.


Splitternacktverein

So um die Jahre 1929/ 30 herum hatten wir Jungs aus der unteren Dorfstrasse  („Ünnerdörp“) - der heutigen Memelstraße einen „Splitternacktverein“ gegründet.

Wir, das waren „Ruller“ Höppner, Heini und Reinhold Reshöft , „Fiete“ Kitzerau, Friedrich und Hans Jarr und Emil Meyer.

Der Verein hatte seinen Stammsitz am hohen Ufer in der Nähe des damaligen Hauses von Prof. Dahl (heute etwa 200 m südlich des Sandweges/ dem Haus am Meer).

Die Uferböschung war an einer besonders lehmhaltigen Stelle zu einer Höhle mit Rundum-Bänken ausgehöhlt worden. Wir hatten eine kleine Nebenhöhle, in der unsere Bekleidung und evtl. „Vorräte“ ihren Platz hatten.

Sinn und Zweck des „Splitternacktvereines“ war das nackte Baden an diesem sehr leicht und flach in die Ostsee abfallenden Strand mit herrlichem weißen Sand, die Pflege der Freundschaft, schlechthin „Beschäftigungstherapie“ und die Planung gemeinsamer Unternehmungen.

 

Da unsere „Vorräte“ zu Ende gingen, wurde geplant, den Vorrat an Äpfeln dadurch aufzufrischen, dass wir in dem nördlich des sog. Sandweges liegendem Garten des Gärtners Geerdts die dort stehenden Apfelbäume „erleichtern“ wollten.

Einstimmiger Beschluss!

Also los - in Uniform (d.h. also – nackt). Ein paar zusammengeknotete Hemden hatten wir als „Transportsäcke“ mitgenommen, um unsere Verpflegung (Diebesgut war es ja nicht) mitnehmen zu können.

Das Anschleichen und Erklimmen der Bäume war für uns ein Kinderspiel, - Schrammen am ganzen Körper waren „in“ - spielten auch keine Rolle! Mitten in der Apfelernte A L A R M: Gärtner Geerdts war plötzlich mit dem Fahrrad aufgetaucht und wir hatten natürlich vergessen, Wachen aufzustellen!

Ja, - was nun! - Geerdts mit mächtiger Wut im Bauch stand unten mit seinem Handstock und schimpfte wie ein Rohrspatz – wir hingen wie reifes Obst in den Bäumen!

Da kam uns dann die rettende Idee und es ist ja meistens so, dass man dann die besten Ideen hat wenn man in Not ist!

So langsam klarte sich dann alles auf. Der eine hatte sich den Ellenbogen gestoßen und war ganz verschrammt, der andere hatte die Hand in der Hüfte und hielt sich auch am „Allerwertesten“ fest und der Dritte war mit dem Fußgelenk umgekippt. In diesem Zustand sind wir dann alle nach Hause gehumpelt.

 

 


Prost Neujahr

Hans Jarr  war Sohn des Friedrich Jarr, der in der Memelstraße wohnte und die Elektrizitätszentrale betreut hat. Hans ist Jahrgang 1922 , wanderte im Dezember 1954 in die U S A aus, fand dort in DAVENPORT/ Iowa seine neue Heimat.

 

Er hat 24 Jahre lang als Elektriker in der Firma ALCOA (Aluminium Company of Amerika) gearbeitet. Die Firma hat ca. 7ooo Mitarbeiter, nur in der Fabrik in Davenport auf 65 ha Land, und besitzt über 30 weitere Werke in den U S A.

Hans erzählt aus seiner Jugendzeit in Platt  (ca. 1930)

 

Bei uns zuhause war das so: Am Altjahrsabend (Sylvester) kam die gesamte Nachbarschaft und die Männer spielten Karten. Die Frauen strickten und erzählten sich etwas.

Beim Kartenspielen saß „Mannus“ ( Amandus Kitzerau - ein Nachbar) auf dem Sofa. Sein sein „Schnack“ (Ausspruch ) war oft: „Weg, sagte Schack , da biss ihn der Hund in das Holzbein!“

Mit einemmale sprang Mannus auf, griff sich mit beiden Händen ans Bein und schrie „Ramm (Muskelkater) in't Been , Ramm in't Been , de Sähn (Sehne) knüppt op !“

Dabei schielte er natürlich seinem Nebenmann in die Karten! Hein Meyer, ein anderer Nachbar, sagte dann : „Opa, du schuulst ja all wedder in de Korten (Du guckst ja schon wieder in die Karten) Schoster Christen shall Di een Klappentoom maken! (Schuster Christen soll Dir eine Augenklappe machen!)“

 

Wenn sie dann so nach seiner Erwartung spielten " No de Mütz spelen ) sagte er immer, wenn die passende Karte fiel „Dor luur ick je grod op“ (Da warte ich ja gerade drauf).

 

Ein anderer Nachbar - Hein Volkmeyer - hatte immer ein Stück aus der Zeitung von einer Lotterie- Firma aus Hamburg dabei, mit dem Spruch: „Wo gewinnt man das viele Geld? Bei Gebrüder Lilienfeld!  Vieles Glück ist zu erreichen, 82 Große Bleichen!“ Und wenn er eine „gute Hand“ (Gute

Karten) hatte und die Karten vom Tisch einstrich sagte er immer  „Achter rut krazt de Heuhner“ (Hinten heraus kratzen die Hühner).

Mein Vater sagte immer „Kiekmol , Opa , - so laufen die Gelder ein!“ Opa, der dann ein bisschen neidisch war sagte dann: „de Hund schitt immer up een groten Dutt!“ (Der Hund macht immer auf einen großen Haufen).

 

Die Frauen waren immerfort am1 „Quasseln“ (Erzählen). Wer das am besten konnte war Frau Volkmeyer, „eer stümn' dat Mulwark nie still“.  Alle Frauen bekamen ihr Teil ab! Frau Hamann schleuderte immer so mit den Armen wenn sie ging, sie wurde deshalb „slüchtern Hamannsch“ genannt. Frau Olandt, eine andere Nachbarin, warf das eine Bein immer so komisch beim

Gehen. Das war dann die „Patschbeen Olandtsch“.  Am besten Lachen konnte Martha Meyer, sie gackerte wie so eine alte Henne ihr geflügeltes Wort bei jeder Gelegenheit war immer die Bemerkung  „Oh , wie schrecklich“.

 

 

Wenn ich die Stubentür aufmachte, dann schimpften die Frauen: „Mach doch die Tür zu, es wird ja kalt hier!“ Dabei waren sie mit Allemann in der kleinen Stube und es wurde auch noch tüchtig geraucht. Menschenskinder, war das ein Mief in dem Loch! 

Wir Kinder spielten alle in der Küche, dort wurde auch nur lauter Unfug getrieben! Ich lief denn immer von der Küche in die Stube und wieder zurück. Denn wir waren ja alle neugierig, was sich die Frauen so erzählten.

In der Küche ging denn so allerhand vor sich, was ich als kleiner Junge gar nicht so richtig mitkriegen konnte. Die Nachbarn erzählten mir, dass sie in einem Schuhkarton eine Stange Schwarzpulver untergebracht hätten, diese mit einer Zündschnur versehen und im „Mässfot“ (Misthaufen) unter gebuddelt hätten. Das sollte dann nachts um 12.00 Uhr das Neue Jahr bringen und zwar mit Getöse!

 

Ich sollte das natürlich machen- wer denn sonst !?

 

Und eigentlich konnte das ja auch gar nicht so schlimm werden! Dass die Erwachsenen aber z w e i Stangen Pulver genommen hatten und alles in fünf Stücken Holz eingewickelt und alles mit Isolierband umwickelt hatten, davon hatten sie mir natürlich nichts gesagt! Diese „Bombe“ hatten sie dann in einen Schuhkarton gepackt!

 

So hatte ich also „von Tuten und Blasen“ keine Ahnung was vor sich gehen würde. Erst später bekam ich das zu wissen, als alles vorüber war!

Nun war es soweit! Max Olandt ballerte mit der Schrotflinte - immer noch einmal Rrummms – Rrummms. Ich glaube, er hat da so mindestens zwei Schachteln voll von verknallt! Ich nahm dann so um Mitternacht die Zündhölzer und ging zum Misthaufen, hielt den Kopf von einem Zündholz an die Zündschnur und strich mit der Reibfläche der Schachtel darüber: Das klappte sofort!

Ich rannte um die Hausecke an Hamann seiner Seite , und was dann kam, das mag ich gar nicht erzählen! Als die Ladung hochging war es wie der Schuss einer Kanone - mir wurden die Knie weich! Das ganze Dach vom Schweinestall flog hoch aus seiner Verankerung und bei Nachbar Hamann gingen die Scheiben des Küchenfensters zu Bruch.

 

Die Frauensleute kamen gerade aus der Haustür und schrien: „Was war das? Oh - wie schrecklich !“ Dann pusteten sie wie verrückt und sagten „Mein Gott, was stinkt das so!?“  Die ganze Jauche vom Misthaufen war natürlich wie ein Sprühregen über das Dach des Wohnhauses gekommen!

 

Nun bekamen die Frauen es aber mit der Eile. Aber mit einem Male änderte sich die Situation: Die Frauen wollten auf die Straße laufen, lagen aber alle mit einem mal auf dem Fußsteig und im Rinnstein  lang! Sie schrien und schimpften und fluchten wie verrückt.

 

Die Männer kamen natürlich sofort zur Hilfe, konnten die Frauen aber auch nicht auf die Füße bekommen. Ich konnte mir gar nicht vorstellen, was da los sein könnte. Aber als ich die Taschenlampe anmachte sah ich die Bescherung!

Was für ein Chaos ! -Max hatte mit der Schrotflinte alle die dünnen Drähte der Telefonleitung abgeschossen und die Frauen hatten sich natürlich im Dunkeln in all den herabhängenden und sich kräuselnden Telefondrähten hoffnungslos verheddert. Junge , Junge, was haben die den Max verflucht. Von dem Kanonenschuss und dem Stinken sprach kein Mensch mehr. Alle hatten mit sich selbst zu tun.

 

Am anderen Morgen war ich natürlich der erste aus dem Bett, machte Feuer in der Küche und setzte den Teekessel auf. Dann drehte ich das Radio in der Stube recht laut an, denn unsere Mutter mochte immer so gern das Hamburger Hafenkonzert im Bett hören.

Beim Frühstück lächelte (griente) unser Vater uns nur an und schmunzelte: „Junge, Junge, dor hätt Max sick over een leist!“

 

Ich dachte immer ist das alles , was da von Deinem Vater kommt? - Tatsächlich, kein Wort von den anderen Vorgängen! Nach dem Frühstück ging unser Vater denn gleich zum Strand, zum „Lögenbarg“ (alte Fischerhütten) dem „Reichstag“- das wurde so genannt, weil es dort in dieser Runde der Männer immer das Neueste aus dem Dorfgeschehen zu hören gab!

Da standen denn die Männer in der "Durchfahrt", klapperten mit ihren Holzpantoffeln und mit den Händen an den Ohren. Und wenn es auch noch so kalt war, nach Hause ging deswegen keiner!

Unsere Mutter ging zu Frau Volkmeyer, um zu sehen, was mit dem Ellenbogen los war.

So wie die Luft „rein“ war hatte ich Hammer und Vier-Zoll-Nägel in der Hand um das Dach vom Schweinestall doch erstmal provisorisch festzunageln damit der nächste Wind damit nicht abging!

Mein Bruder Friedrich sauste ab nach Richard Wildfang, der ja bei dem Maler Johannes Brandt arbeitete. Hans Brandt sein der Sohn, wurde „Millionär“ genannt, weil er, wenn man ihn fragte, was er einmal werden wollte, immer nur antwortete „Millionär“, machte die Tür auf, denn er war ja auch mit in den ganzen Kram verwickelt.

Bevor Johann (sein Vater) überhaupt auch nur mit einem Bein aus dem Bett war oder einen Strumpf anhatte war bei Hammann schon ein neues Küchenfenster eingesetzt.

 

Richard Wildfang hatte uns sehr gern den Gefallen getan, denn er war ja selbst so ein Unikum!

 

 


Das erste Radio

 

 

 Die ersten Radios in Dahme gehörten Reinhold Reshöfts Opa Bernhard

und dem Drucker Paul Breutz.

 

Eine schwarze Kiste aus Stimmen und Musik zu hören waren, die von weit herkamen.

Das war schon eine große Sache, die man kaum begreifen konnte.

Ein gängiger Spruch im Dorf war: Pssst! Breutz hürt mit!“  (Ruhe – Breutz kann uns hören).